Jahresbrief 2006

Liebe Mitglieder der Vereinigung der Wunderbaren Medaille!
         
Die Botschaft der Wunderbaren Medaille lautet kurz zusammen gefasst: Gnade! Selbst der Zeitpunkt der Erscheinung und der Ort, an dem Maria „ihre Medaille“ der Seminarschwester (Novizin) Katharina Labouré gezeigt und anvertraut hat, weisen  darauf hin. Es war am Vorabend zum 1. Adventsonntag, am 27. November 1830 während des gemeinschaftlichen Gebetes in der Kapelle, im Haus des Herrn. Der Advent ist jedes Jahr die Zeit der Erwartung des Herrn, der gekommen ist und der immer neu ankommt. Wir machen uns - nicht nur im Advent, sondern alle Tage des Jahres - bereit für die Ankunft „des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ Denn „aus seiner Fülle haben wir alle empfangen,  Gnade über Gnade.“ (Joh 1, 14.16).

Wie können wir schwache Menschen aber beständig aus der Fülle dieser Gnaden leben, bzw. zu diesem neuen Leben der Gnade finden oder gegebenenfalls zurückkehren? Die Kirche hat Maria, die Mutter des Herrn, von Anfang an als besondere Helferin und Fürsprecherin in ihrem Auftrag, allen Menschen das neue Leben der Gnade in Jesus Christus zu schenken, gesehen und verehrt. Maria hat auch durch eine besondere Gnade als einziger Mensch immer, jeden Augenblick ihres Lebens vollkommen in der Gnade Gottes gelebt, bzw. ihr im Leben entsprochen.

„Das Wort ist Fleisch geworden… und wir haben seine Herrlichkeit gesehen“ (Joh 1,14). Neben der Offenbarung des Wortes Gottes hat die Kirche nach dem großen Bilderstreit (726-843) endgültig die Bedeutung der „heiligen Bilder“ anerkannt. So meint etwa Basilius der Große: „Was das Wort durch das Gehör mitteilt, das zeigt die Malerei schweigend durch die Darstellung.“ Wie das überlieferte Wort in seiner jeweiligen Ausformung mit seinem Ursprung im Sinne der reinen Tradition übereinstimmen muss, so gibt es auch für Darstellungen Christi und Mariens verbindliche„Urbilder“, die etwa dem hl. Lukas zugeschrieben werden. Im Osten kennen wir die Praxis der Ikonenverehrung, während im Westen sog. Gnadenbilder bedeutsam wurden. Auf jeden Fall gilt, dass die Ehre, die man einem Bild erweist, auf das Urbild übergeht, d.h. dass man die Person des in ihm Dargestellten verehrt. Wer vor einem solchen Bild betet begibt sich auch in die Gemeinschaft all derer, die vor ihm in einer langen Tradition davor gebetet hat. Kopien von Gnadenbildern und Statuen fanden und finden bei uns ähnlich wie die Ikonen im Osten eine weite Verbreitung.

Die Wunderbare Medaille steht in der Tradition der Gnadenbilder. Sie wurde jedoch Anlass für eine originelle Verehrungsform. Medaillen gab es schon seit langem. Die uralten Pilgerzeichen, die Gläubige von einer Wallfahrt nach Hause gebracht haben, sind im Grunde nicht anderes. Im 19. Jahrhundert aber wird die Medaille selbst zum Gnadenbild. Es gibt dabei kein Original mehr. Jede Medaille ist ein Original, das Urbild dazu hat Katharina Labouré schauen dürfen.

Bekannt sind auch die Worte, die Katharina Labouré etwa am 18. Juli 1830, bei ihrem nächtlichen Gespräch mit der Heiligen Jungfrau Maria hört: „Mein Kind, der liebe Gott will Sie mit einer Aufgabe betrauen... Sie werden Widerspruch erfahren, aber Sie werden die Gnade haben (...).“ Und am 27. November, bei der Erscheinung der Gottesmutter von der Wunderbaren Medaille deutet eine Stimme, die Strahlen, die von den Ringen an Mariens Händen ausgehen: "Diese Strahlen sind das Symbol für die Gnaden, die Maria für die Menschen erwirkt." Und weiters hört Katharina: „Ich gieße diese Gnaden aus über die Menschen, die mich darum bitten.“ Maria ließ Katharina auch verstehen, wie freigebig sie gegen die Menschen ist, die zu ihr beten, wel­che Gnaden sie den Menschen gewährt, die sie dar­um bitten, und mit welcher Freude sie diese aus­teilt.  

Die Vereinigung der Wunderbaren Medaille fühlt sich dieser Botschaft der Gnade, die hier nur kurz angedeutet werden konnte, zur Gänze verpflichtet. So können alle Gläubigen, die eine von einem Priester gesegnete Medaille tragen, Mitglieder der Vereinigung sein und an den geistlichen Gütern teilhaben. Es genügt also, dass die Betreffenden unsere Vereinigung kennen lernen und sich zu einer „geistigen“ Mitgliedschaft entschließen. Als namentlich eingetragene Mitglieder sollte es unser aller Anliegen sein, nicht nur die Medaille zu verbreiten, sondern auch die nach ihr benannte Vereinigung bekannt zu machen.

Wie viele Gnaden hat doch Maria durch ihre Medaille unzähligen Menschen in den verschiedensten Anliegen und Nöten bereits vermitteln können! Ein Anliegen unserer Vereinigung ist es, das freudige Bewusstsein wach zu halten, einer riesigen Schar von Gläubigen anzugehören, die durch das Gebet am Gnadenbild der Mutter Gottes von der Wunderbaren Medaille wunderbare Erfahrungen machen durften und dürfen. Ich hoffe und bete, dass auch Sie das selber täglich spüren. Ich danke auch sehr herzlich für alle Bemühungen in Sinne der Vereinigung, für Ihr Gebet, Ihr Apostolat, Ihre Offenheit für die Nöte des Nächsten und nicht zuletzt für Ihre Spenden, die alle für die Zwecke der Vereinigung verwendet werden.

Ich möchte schließen mit den Worten, die Erzbischof Vingt-Trois von Paris im Vorjahr anlässlich des 175-Jahr Jubiläums der Erscheinungen von 1830 in der Kapelle in der Rue du Bac den Gläubigen gesagt hat: „Die Gnade Gottes hängt nicht von uns ab, sie wird geschenkt nach Gottes Art. Die Botschaft, die uns Katharina Labouré überliefert hat, die Anrufung, die sie uns gegeben hat, damit wir Maria bitten, für uns einzutreten: „O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen“, soll uns helfen... den Alltag mit einem bescheidenen Herzen zu leben, um die Gabe Gottes zu empfangen.“

Dazu möge Sie und alle Mitglieder unserer Vereinigung der gütige Gott segnen.

Mit herzlichen Gruß, Ihr/Dein
Alexander Jernej CM

P.S.: Einige Gedanken und Zitate sind entnommen aus: Karl Kolb, Typologie der Gnadenbilder, in: Handbuch der Marienkunde, Regensburg 1984, 849f.